Trost, wenn die Schmerzen zu mächtig werden

Wir sind mehr, als unsere Defizite und Symptome

“Suche einen Ort in deinem Körper, wo keine Schmerzen zu fühlen sind”. Diese Frage ließ mich aufhorchen, es entstand eine Pause im Kopf, der bis dahin nur die unerträglichen Schmerzen hatte wahrnehmen können.

Ich hörte den Satz in einer angeleiteten Entspannung auf irgendeiner CD, die mir irgendwer ausgeliehen hatte. Und fortan sollte mich diese Frage begleiten; “Wo bin ich gerade schmerzfrei?” Und ich entdeckte viele Stellen: Nasenspitze, Ohrläppchen, die großen Zehen. Das war so erleichternd zu spüren, dass es Oasen gab, die nicht vom Chaos betroffen waren. Ich erfuhr, wie machtvoll mein Fokus ist. Mein Fokus ist wie ein Brennglas. Das ändert nichts daran, dass Schmerzen richtig ätzend  sind, aber wenn ich geistig ruhig bleiben kann dabei, nehme ich etwas Leid aus der Gleichung.

Das Gleiche gilt für Gefühle

Wenn ich von Trauer oder Wut überwältigt ist, kann es so befreiend sein, in Füße hineinzuspüren, um festzustellen, dass dies eine “Depressions-Freie Zone” ist. Ist doch so, oder? Mein Hals, meine Brust, mein Kopf und Bauch fühlen sich, wenn ich tieftraurig oder ängstlich bin, sehr betroffen an. Aber meine Füße, meine Hände nicht…Die Körperbereiche zu erspüren, wo es sich scheiße anfühlt, und dann jene, die neutral sind, wäre der erste Schritt, um eine kleine Öffnung für das Licht aufzubrechen. Und dann ist der Geist offener für einen Perspektiv-Wechsel, wie etwa der hier:

Die yogische Auffassung vom Selbst: Sie führt dich an einen Ort, wo du mehr bist, als deine Erkrankung und deine Traumata. Die Yogische Philosophie wird “Vedanta” genannt. “Jnana”-Yoga ist eine Denkweise, die dich stets einlädt, Neues über dich zu erfahren, Festgefahrenes zu lassen und Denkpausen zu erleben.

Die yogisch-vedantische Auffassung von dir, von deiner Essenz, ist, dass du unverletzlich bist. Unkaputtbar.

Dein Kern ist und bleibt völlig unberührt von allem, was du erlebst. Du musst nichts reparieren, heilen oder erst mühsam aufbauen. Es ist alles da. Es ist vollbracht. Es war immer vollbracht. Nur dein Nicht-Wissen darüber muss korrigiert werden. Fühle nach, was diese Sätze in dir auslösen. Lege deine Hände auf dein Herz, als würdest du jemand Geliebtes trösten. Denn das bist du: So unendlich und bedingungslos geliebt!

So, wie dein innerster unkaputtbarer Kern, bleibt eine Goldmünze eben eine wertvolle Goldmünze, egal ob sie bespuckt, missbraucht oder weggeworfen wird. Egal, welche Diagnosen jemand über sie erteilen würde. Und in dir, in mir wartet die Schatzkiste voll Goldmünzen geduldig darauf, dass wir nach innen gehen und still werden.

Wissen über dein Wahres Selbst verändert binnen einer Sekunde Alles.

Wenn du heute die Nachricht erhieltest, du seist in Wirklichkeit eine vertauschte Prinzessin, würde sich deine ganze Wahrnehmung von dir selbst und der Welt radikal ändern. Durch Jnana Yoga und Meditation passiert genau das: Die fehlenden Informationen darüber, wer du wirklich bist, kommen zusammen und die bisherigen Fragen lösen sich auf. Um der Liebe, um diesem Wahrheitsfluss eine Chance zu geben, musst du still werden. Jetzt.

‘Yoga ist jener innere Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen’
‘Dann ruht der Sehende in seiner Wesensidentität’  Patanjali (Autor der Yoga Sutras, 2. JH v. Chr)

Die yogische Philosophie „Vedanta“ sagt, dass nur das wirklich ist, was sich weder verändert, noch aufhört zu sein. Darum ist nur dein wahres Selbst wirklich. Wir müssen demnach lernen zu unterscheiden, was wirklich und was vergänglich ist. Gefühle verändern sich schnell. Gedanken von vor 10 Sekunden sind nun „weg“. Auch der Körper verändert sich ständig: ist mal krank, mal mopsfidel. Vom Aussehen ganz zu schweigen. Er wird irgendwann vermutlich sterben. Die Schmerzen, die du im Körper spürst verändern sich ständig in ihrer Intensität und Lokalisation.

Meinen Frieden von sich ständig verändernden „Dingen“ abhängig zu machen, führt zu Leid.

Im Vedanta helfen wir uns, uns von unwirklichen „Dingen“ zu lösen, indem wir fragen: „Bin ich das?“. Was ich beobachten kann, das bin ich nicht wirklich. So sehr ich es liebe, so sehr ich mich daran gewöhnt habe. Oder so sehr ich es ablehne und hasse und weghaben will.

Bleiben wir beim Körper: Ich kann ihn beobachten. Er hat sich, seit ich ein Baby war stets verändert. Wenn mir alle Gliedmaßen amputiert werden müssten, wäre ich dann nicht mehr ich? Und was passiert mit dem Essen, was ich zu mir nehme? Ab wann wird es zu „ich“? Der Körper ist zwar immer bei mir, aber das wäre ein Unterhemd auch, wenn ich es nie ausziehen würde. Ist der Körper ein Raumanzug für meine Zeit hier auf Erden? Ein super nützliches High-Tech Kleid, das mal Schmerzen meldet, mal „alles in Ordnung“, wie ein Instrumentenbrett?

Und beim bloßen Nachdenken entsteht unweigerlich die Frage: Wer erlebt diese Fragen?

Wer erlebt Schmerz, Leid, Vergnügen, Langeweile? Wer bin ich? Und das sind die Fragen, die uns zum wahren Frieden führen können.

Sind nun andere Gedanken in deinem Kopf, als zu Beginn des Lesens von diesem Text? Kannst du den inneren Beobachter wahrnehmen, dem diese Schmerzen “passieren”? Kannst du die Orte im Körper mutig wahrnehmen, die von Schmerzen betroffen sind? Kannst du ihre Beschaffenheit und die Empfindungen genau beschreiben? Kannst du die Geschichte dazu loslassen und nur die aktuellen Empfindungen wahrnehmen? Auch das geht vorbei. Da alles sich ständig verändert, gilt es eben glücklicherweise auch für das “Unangenehme”, das “Schmerzvolle”. Und dein Großes Selbst, dein innerer wahrer Kern bleibt davon gänzlich unberührt.

Was du nicht ertragen kannst, regiert dich. Sei mit dem, was ist, ohne es verändern, heilen oder reparieren zu wollen. 

Meditation
Bodyscan
Advaita

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